Roberto Brioschi

Schmerz, lass nach!

Dank dem Psychologen Roberto Brioschi (1960-2018) führen Tausende Menschen trotz chronischer Schmerzen ein lebenswertes Leben.

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2013. Seit Jahren kämpft Frau Schiess mit Schmerzen. Mal sticht es im Rücken, mal kribbelt es in den Armen, dann leidet sie unter Schlafstörungen, Erschöpfung, Depressionen. Fibromyalgia, auch bekannt als Weichteilrheuma, raubte ihre ganze Energie und Lebenslust. Doch, oh Wunder: Nach vierzehn Tagen in Bad Zurzach sitzt Frau Schiess strahlend vor einer Fernsehkamera. Und ihr gegenüber: der Psychologe und Schmerztherapeut Roberto Brioschi.

Im Fernsehbeitrag eines Lokalsenders über Massnahmen gegen chronische Schmerzen spielen Schiess und Brioschi die Hauptrollen. Dass die Patientin jetzt so strahlt, mag am ansteckenden Charisma des Psychologen liegen. Bei aller Seriosität seiner Arbeit hat er meist ein Lachen auf den Lippen. Aber Frau Schiess strahlt natürlich nicht nur wegen Herrn Brioschi, sondern vor allem, weil sie es endlich schafft, gelegentlich ihre Schmerzen zu vergessen. Das ist eines der Ziele des Zurzacher Interdisziplinären Schmerzprogramms, das Roberto Brioschi 1996 eingeführt hat und seither leitet. Während vier Wochen stationären Aufenthalts trägt eine interdisziplinäre und interprofessionelle Betreuung mit Methoden der klinischen Psychologie, Physiotherapie, Entspannungstherapie und weiterer Fachbereiche dazu bei, dass Patientinnen und Patienten wie Frau Schiess ihre chronischen Schmerzen analysieren und mit ihnen umzugehen lernen.

Am besten geht das durch Ablenkung, oder, wie Brioschi es im Fernsehbeitrag erklärt, indem im Gehirn ein Konkurrenzreiz zum Schmerz aufgebaut wird. Einen solchen Reiz erzeugt etwa die Natur – Brioschi setzt deshalb auf Garten- und Waldtherapie. Auch Lachen lenkt ab, weshalb Brioschi in einem Pionierprojekt ab 2000 einmal wöchentlich Clown Pello nach Bad Zurzach einlädt.

Brioschis innovative Ansätze in der Arbeit mit chronischen Schmerzpatientinnen und -patienten sprechen sich auch in der Fachwelt herum. Am alljährlichen Zurzacher Schmerzkongress hören ihm bald schon Schmerzmediziner und Psychologinnen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum zu. Als Wissenschaftler publiziert er in Fachjournals regelmässig Studien, viele davon über die kurz- und mittelfristige Wirkung seines interdisziplinären Schmerzprogramms. Dabei legt der Secondo mit italienischen Wurzeln ein besonderes Augenmerk auf fremdsprachige Patientinnen und Patienten, die aufgrund schwerer körperlicher Arbeit auffällig oft von chronischen Schmerzen geplagt werden.

Das revolutionäre Ergebnis dieser Studien: Das Zurzacher Schmerzprogramm lehrt Patientinnen und -patienten nicht nur, mit chronischen Schmerzen zu leben. Es hilft nachweislich auch dabei, sie deutlich zu reduzieren. Noch ein Grund für Frau Schiess, zu strahlen.

Roberto Brioschi ist im Jahr 2018 nach schwerer Krankheit verstorben. Das Zurzacher Interdisziplinäre Schmerzprogramm wird von seinen langjährigen Mitarbeitenden weitergeführt.