Alle für eine(n)!

Je früher nach einem Schlaganfall die Rehabilitation beginnt, desto grösser sind die Heilungschancen. Die Schlussfolgerung daraus ist die integrierte Rehabilitation, die ZURZACH Care als Pionierin im Schweizer Gesundheitswesen bereits seit 2006 anbietet. Einblick in die Akutnahe Neurorehabilitation im Kantonsspital Baden.

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Gebündelte Kompetenz am Spitalbett: Chefarztvisite mit Prof. Dr. Peter Sandor (3.v.r.) und allen an der Rehabilitation beteiligten Fachkräften von ZURZACH Care, integriert im Kantonsspital Baden.

Der Patient rührt sich nicht, als ein Dutzend Männer und Frauen in weissen Kitteln an sein Bett treten. Nur sein Blick wandert hin und her. Doch seine Augäpfel stocken, statt zu gleiten – ein untrügliches Zeichen für Gewebeschäden im Hirn. Vor einer Woche wurde Herr Berisha (45) nach einem Schlaganfall in der Stroke Unit des Kantonsspitals Baden (KSB) notfallmässig eingeliefert, stabilisiert und anschliessend intensiv überwacht. Schliesslich ist das Risiko eines weiteren Hirnschlags in den ersten sieben Tagen nach dem ersten Schlaganfall besonders hoch. Dennoch konnte der Patient bereits fünf Tage nach dem Infarkt in die Akutnahe Neurorehabiliation von ZURZACH Care auf demselben Stock verlegt werden.

Hier wird Herr Berisha nun von Prof. Dr. Peter Sandor begrüsst, der die Akutnahe Rehabilitation von ZURZACH Care, integriert in das KSB, leitet und zudem Ärztlicher Direktor Neurologie bei ZURZACH Care ist. Jeden Mittwochvormittag visitiert der Neurologe mit seinem Kollegen Prof. Dr. Alexander Tarnutzer, Leiter Stroke Unit und Leitender Arzt des KSB, zuerst die Stroke Unit und geht im Anschluss mit seinem interdisziplinären und interprofessionellen Team auf Visite bei den Patientinnen und Patienten der Akutnahen Rehabilitation. Zum Neuankömmling gibt es noch nicht viel zu sagen. Eine Pflegefachfrau meint, Herr Berisha könne bei Drehungen im Bett bereits «mithelfen», die Logopädin hält fest, dass Herr Berishas Stimme zwar verständlich, aber noch sehr leise sei. Die intensive Rehabilitation des Patienten, die mehrere Wochen dauern wird, beginnt jetzt.

Wozu Integrierte Versorgung?

Früher dachte man beim Thema Rehabilitation an idyllische, abgelegene Kurorte, meist in der Höhe oder bei Thermalquellen. Davon ist man hier, im sechsten Stock des KSB, weit entfernt. Wer hier als Patientin oder Patient landet, ist – medizinisch gesprochen – ein «schwerer Fall». 60 Prozent der Patientinnen und Patienten hatten einen Schlaganfall, 40 Prozent leiden unter anderen schweren Erkrankungen des Nervensystems. 

Das Besondere am Konzept der integrierten Rehabilitation ist, dass die Rehabilitation aufgrund der Nähe zur akuten Abteilung viel früher beginnen kann – im Durchschnitt wechseln Schlaganfallpatientinnen und -patienten im KSB bereits nach fünf Tagen in die Frührehabilitation. Bevor ZURZACH Care und das KSB 2006 zusammengespannt haben, war die stationäre Verweildauer im Akutspital fast drei Mal so hoch. Erst dann war eine Verlegung in eine Rehabilitationsklinik medizinisch vertretbar. Oder in den Worten von Prof. Dr. Sandor: «Reha-Patientinnen und -Patienten sind akuter geworden.» «Integrierte Versorgung» heisst dieses Prinzip des fliessenden Übergangs zwischen Akut- und Rehabilitationsmedizin, heute ist es vielerorts Standard in der Schweiz. Doch «erfunden» hat es ZURZACH Care mit dem KSB als Partner.

Am meisten profitieren davon die Patientinnen und Patienten. Durch die Nähe zum Akutspital können jederzeit die diversen medizinischen Spezialisten des Akutspitals zugezogen werden, unangenehme, eventuell risikoreiche und teure Rückverlegungen von der Rehabilitationsklinik ins Akutspital fallen weg. ZURZACH Care und KSB behandeln und informieren die Patientinnen und Patienten gemeinsam, was die Versorgungsqualität steigert. Zudem erhöht der frühestmögliche Einsatz von Rehabilitationsmassnahmen die Heilungschancen nachweislich.

Effizienter geht nicht

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Zusammenspannen zum Wohl der Patientinnen und Patienten (v.l.n.r.): med. prakt. Mirka Epskamp vom KSB, gemeinsam mit den Ärzten von ZURZACH Care Prof. Dr. Peter Sandor, Dr. Kai Huggenberger, Dr. Monika Albert.

Zwischen den Visiten versammelt sich das zwölfköpfige Team im Gang – die einen mit ZURZACH-Care-Logo auf der Brust, die anderen mit demjenigen des KSB. Prof. Dr. Sandor steht Schulter an Schulter mit Stationsärztin Mirka Epskamp vom KSB, beide sind in einen Bildschirm vertieft. Es geht um die nächste Patientin. «Sie hatte vor zwölf Tagen einen linkshemisphärischen Schlaganfall», sagt Epskamp. Es folgt ein von Prof. Dr. Sandor moderierter und kommentierter Austausch der Fachpersonen, die an der Behandlung und Rehabilitation der acht Patientinnen und Patienten der Reha-Abteilung beteiligt sind, bevor es ins nächste Patientenzimmer geht. Hier wird vom Fachjargon in die Umgangssprache gewechselt, denn die Betroffene soll verstehen, was mit ihr besprochen wird. Das klingt in Bruchstücken so:

Physiotherapeutin: «Beim Aufstehen brauchen Sie nur noch ungefähr 25 Prozent Unterstützung.»

Logopädin: «Ihre Sprache ist manchmal noch etwas undeutlich, spontane Satzanfänge klappen aber schon gut.»

Ergotherapeutin: «Sie haben erwähnt, dass Sie Daumen, Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand noch nicht spüren. In der Therapie geben Sie aber ihr Bestes. Weiter so!»

Pflegefachmann: «Ihnen wurde immer wieder übel, nachdem sie ein Joghurt gegessen hatten. Das sollte sich jetzt bessern, wir haben auf laktosefreie Produkte umgestellt.»

Ärztin: «Wir sind sehr zufrieden mit Ihrer Entwicklung. Zusammen mit Ihnen und Ihren Angehörigen sollten wir bald die nächsten Schritte in der Rehabilitation festlegen.»

Arztvisite, interprofessionelle Visite und Rapport, Pharmavisite und Patientenkommunikation – was andernorts Termine an mehreren Tagen beansprucht, wird in der Akutnahen Rehabilitation von ZURZACH Care am KSB in einer einzigen, zweistündigen Chefarztvisite pro Woche gebündelt. Die enge Zusammenarbeit ist effizient, hat einen hohen Patientennutzen und zahlt sich wirtschaftlich aus. Nach dem Pionierprojekt im KSB hat ZURZACH Care mit diesem Konzept zahlreiche weitere integrierte Rehabilitationsabteilungen eröffnet: 2009 im Kantonsspital Glarus, 2011 und 2012 im Spital Zollikerberg in Zollikon und im Seespital Kilchberg, 2018 in der Sonnmatt Luzern, 2022 im Claraspital Basel. Frührehabilitation für schwerbetroffene Neuropatientinnen und -patienten wird in Baden und Kilchberg angeboten, in die anderen integrierten Rehakliniken wechseln Betroffene nach einem «gewöhnlichen» Spitalaufenthalt, etwa nach einem Knochenbruch. Weitere integrierte Stationen sind im Spital Limmattal (Frührehabilitation) und dem Stadtspital Zürich Waid geplant. Auch mit Spitälern auf universitärem Niveau arbeitet ZURZACH Care eng zusammen, etwa dem Universitätsspital Zürich, wo sie Patientinnen und Patienten der Traumatologie eine Tele-Visite anbietet, um den Übertritt in die Reha zu besprechen.

«Zusammen schaffen wir das»

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Physiotherapie und Pflege berichten am Patientenbett über die Fortschritte der zu Behandelnden.

Die letzte Patientin der heutigen Chefarztvisite ist die 80-jährige Frau Tobler. Sie war gerade eingedöst und schreckt nun auf, als plötzlich das Dutzend Männer und Frauen in weissen Kitteln an ihr Bett treten. Mit einem Taschenkamm rückt sie hastig ihre etwas zerknitterte Frisur zurecht – eine Fingerfertigkeit, die das Betreuungsteam bereits optimistisch stimmt. Auch sie erlitt kürzlich einen Schlaganfall, hatte aber Glück im Unglück: Das Gehirn wurde weniger stark beschädigt als bei anderen Patientinnen und Patienten, sodass eine Verlegung von der akutnahen Frühreha in die weiterführende Reha in Bad Zurzach schon in wenigen Tagen möglich sein wird. 40 Meter sei sie am Vortag gegangen, lobt die Physiotherapeutin, sie könne bereits selbständig frühstücken, ergänzt eine Pflegefachfrau. Nur den Deckel der Butterpackung kriege sie noch nicht ab und auch die Kaffeekanne bereite Probleme. «Aber zusammen schaffen wir das», sagt die Patientin.