Der Macher und der Denker

Die Ärztlichen Direktoren von ZURZACH Care, Dr. Michael Gengenbacher und Prof. Dr. Peter Sandor, sprechen über ganzheitliche Behandlungen, akute und chronische Schmerzen und warum sie trotz Leitungsfunktion vor allem eines sind: praktizierende Ärzte.

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Bei ZURZACH Care profitieren Patientinnen und Patienten von der kombinierten Expertise der Chefärzte Dr. Michael Gengenbacher (Bewegungsapparat, Innere Medizin, links) und Prof. Dr. Peter Sandor (Neurologie, Psyche).

Dr. Gengenbacher, Prof. Dr. Sandor, was kann Ihr Kollege, was Sie nicht können?
Prof. Dr. Peter Sandor (PS): Michael ist ein Macher. Was mich an ihm fasziniert, ist seine Fingerfertigkeit bei der Arbeit mit Patientinnen oder Patienten. Er ist unglaublich geschickt und umsetzungsstark – ein Hands-on-Mediziner, der evidenzbasiert und zielorientiert rasche Behandlungserfolge erzielt.

Dr. Michael Gengenbacher (MG): Und Peter ist eher der Denker, der komplexen medizinischen Fragestellungen akribisch auf den Grund geht. Er schaut über den Tellerrand hinaus und ist auch in der Forschung involviert, was ich bewundere. Wir ergänzen uns sehr gut.

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Fingerfertig und umsetzungsstark: Dr. Michael Gengenbacher war in Basel elf Jahre lang Chefarzt für Rheumatologie und Rehabilitation, bevor er 2018 zum Ärztlichen Direktor und Chefarzt von ZURZACH Care ernannt wurde.

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Der Denker – Prof. Dr. Peter Sandors Forschung über Neurologie und Kopfschmerzen verschafften ihm die Lehrbefugnis in Neurologie und die Titularprofessur an der Universität Zürich.

 

Sie behandeln auch Long-Covid-Patientinnen und -Patienten. In welcher Wechselwirkung stehen da Körper, Geist und Seele?
MG: Zum Beispiel betreue ich einen Patienten, der über Wochen intubiert war und nun aufgrund beschädigter Nervenstrukturen Lähmungserscheinungen der Beine hat. Das ist ein körperliches Problem. Viel gravierender ist jedoch, dass er immer wieder das Gefühl von Atemnot hat mit der Angst zu ersticken. Dabei besteht diesbezüglich keine faktische Gefahr mehr.

PS: Ein solches psychisches Problem können wir nur mit viel Vertrauensarbeit beheben. Wir müssen dem Betroffenen beweisen, dass sein Körper genügend Sauerstoff aufnehmen kann. Er muss lernen, seinem Körper wieder zu vertrauen.

 

Ist diese Nähe zu den Patientinnen und Patienten auch der Grund dafür, dass Sie Ihre Büros nicht nur in Bad Zurzach, sondern auch in Baden und Basel haben?
MG: Genau, wir sind dort, wo unsere Teams und unsere Patientinnen und Patienten sind. In meinem Fall ist das unsere neue Rehaklinik Basel im Claraspital, wo wir auf die internistische und onkologische Rehabilitation spezialisiert sind, und die Rehaklinik Bad Zurzach. Ich pendle zwischen beiden Standorten und führe zusätzlich eine ambulante rheumatologische und schmerzmedizinische Sprechstunde.

PS: Ich behandle die meisten meiner Patientinnen und Patienten in unserer integrierten Rehaklinik im Kantonsspital Baden. Die meisten haben einen Schlaganfall erlitten und schwere Schäden am Gehirn. Es ist erwiesen, dass eine neurologische Therapie umso erfolgreicher ist, je früher sie in Angriff genommen werden kann. Das ist die Idee hinter der integrierten Rehabilitation: Durch die Nähe zur Akutstation können wir einen fliessenden Übergang zwischen akuter und therapeutischer Behandlung schaffen, damit die Patienten ihre motorischen, sprachlichen und geistigen Fähigkeiten möglichst rasch wiedererlangen.

Haben Sie auch gemeinsame Patientinnen und Patienten? Wie profitieren diese von Ihrem kombinierten Fachwissen?
MG: Wir haben viele gemeinsame Patientinnen und Patienten. Ein aktuelles Beispiel ist Frau P., die wegen chronischen Rückenschmerzen bei mir vorstellig wurde. Der erste Schritt war eine schmerzmedizinische Behandlung, damit sie überhaupt eine körperliche Therapie aufnehmen konnte. Doch dann stellte sich heraus, dass Frau P. auch noch unter einer starken Migräne litt, die eine körperliche Aktivität verhinderte. Sie war für mich allein nicht therapierbar.

PS: Die Migräne ist immer wieder eine Herausforderung, weil sie zwischen den Menschen und ihrem Leben steht. Sie verhindert Teilhabe. In einem Zustand starker Kopfschmerzen mit Licht- und Lärmscheu und allenfalls Übelkeit sind das Arbeiten oder auch eine Physiotherapie schlichtweg unmöglich. So war das auch bei Frau P. Um die Voraussetzung für eine Physiotherapie und Alltagsaktivitäten zu schaffen, musste zuerst die Migräne unter Kontrolle gebracht werden – eines meiner Fachgebiete. Ich konnte Frau P. mit modernen, biologischen Medikamenten gegen die schwere Migräne erfolgreich behandeln, so dass sie ihr Training wiederaufnehmen und den Teufelskreis durchbrechen konnte.

«Indem wir unsere Expertisen zusammenführen, erhalten die Patientinnen und Patienten die besten Behandlungsvorschläge aus allen Fachrichtungen.»
 
– Dr. Michael Gengenbacher

In der Schweiz leiden schätzungsweise 1.5 Millionen Menschen unter Schmerzen, davon 39 Prozent ständig, 35 Prozent täglich, 26 Prozent mehrmals pro Woche. Was unterscheidet akute von chronischen Schmerzen?
PS: Die Swiss Pain Society definiert akuten Schmerz als Warnfunktion des Körpers, die auf Gewebeschäden hinweist. Von chronischen Schmerzen spricht man, wenn die akuten Schmerzen länger als drei Monate lang anhalten. Sie haben sich verselbständigt, sind vom Symptom zur Erkrankung geworden.

MG: Ist der Schmerz chronisch, wird er zum Leitproblem. Dann wird es komplex, seinen Ursprung und den richtigen Behandlungsweg zu definieren. Deshalb tun wir alles, um eine Chronifizierung, eine Verselbständigung von Schmerz zu verhindern. Doch das hängt auch davon ab, zu welchem Zeitpunkt der Patient oder die Patientin sich an ZURZACH Care wendet.

PS: Das Schlimme ist, dass der chronische Schmerz für Patientinnen und Patienten vom Leben abhält. Er überschattet alles. Aber genau in den komplexen, chronischen Fällen, wo Körper, Geist und Seele miteinander leiden, können Patientinnen und Patienten auf unser gemeinsames Fachwissen aus Neurologie, Rheumatologie und Innerer Medizin zählen. Wir finden den richtigen Behandlungsweg.

«Chronische Schmerzen haben keinen biologischen Zweck und gelten nicht mehr als Symptom einer Erkrankung, sondern als Erkrankung selbst.»
 
– Prof. Dr. Peter Sandor

Gesamtes Interview mit Dr. Michael Gengenbacher und Prof. Dr. Peter Sandor


Gengenbacher

Dr. Michael Gengenbacher hat vor seinem Medizinstudium eine Lehre als Laborant in der Neurobiologie absolviert. Dort hat der passionierte Kampfsportler und Schwimmer gemerkt: Eigentlich interessieren ihn Bewegungsabläufe des Körpers noch stärker als das Gehirn. Seine Spezialisierung erlangte er als Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und Rheumatologie. Er ist seit 2018 Chefarzt bei ZURZACH Care.

Sandor

Im Begleitstudium Philosophie stellte Prof. Dr. Peter Sandor fest: Um den Menschen zu verstehen, muss er dessen Gehirn erforschen. Deshalb spezialisierte er sich nach dem Studium der Medizin auf das Gehirn und erlangte seine Facharztausbildung für Neurologie am Universitätsspital Zürich. Prof. Dr. Sandor arbeitet seit 2010 bei ZURZACH Care, wo er unter anderem die Forschung verantwortet, und ist seit 2015 in seiner heutigen Position tätig.